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DECOLONIzATION | DIVERSITY | DEFRAGMENTATION

WILLIAM POPE. L

WILLIAM POPE. L: "BETWEEN A FIGURE AND A LETTER - CONTRAPTION, SKIN SET DRAWINGS, SMALL CUP", SCHINKEL PAVILLON BERLIN, KURATOR DIETER ROELSTRAETE

Maxi Broecking

Portrait William Pope. L: Peyton Fulford, Installationsansichten "Contraption": Frank Sperling

Bekannt geworden mit der Performance-Serie Crawls" seit den 1970er Jahren, thematisiert der Dramaturg, Dichter und Künstler William Pope. L in satirisch überspitzten Performances, Installationen, Schriften und Zeichnungen strukturelle Diskriminierung marginalisierter gesellschaftlicher Gruppen aufgrund von Hautfarbe, Geschlecht und Klasse. Seine Arbeiten erzeugen Unbehagen und Scham. Für den Berliner Schinkel Pavillon hat Pope. L seine Installations-Performance "Contraption" konzipiert - ein Begriff, der für eine Maschine oder ein Gerät steht, das unnötig kompliziert erscheint und oft schlecht gebaut oder unsicher ist. Diese, vorgeblich nach einer simplen Bauzeichnung von Pope. L gestaltete, raumgreifende Maschine schreddert Architektur-Holzmodelle, welche dem Schinkel Pavillon, dem Humboldtforum und der Neuen Wache nachempfunden sind, während die Besucher*innen aus dem Fenster parallel die Originalbauten sehen können, die für die imperiale, koloniale Machtästhetik Preußens und des deutschen Kaiserreiches stehen. Gebaut  in einer Zeit, in der, parallel zu kolonialer Unterdrückung und eines konstruierten Herrschaftsanspruchs, die Gedanken des Humanismus entwickelt wurden. Gleichzeitig interagieren Schauspieler*innen nach einem von ihm vorgegebenen Handlungsablauf mit der Maschine und lesen Pope. Ls Gedicht „Between a Figure and a Letter“ vor: Von „Zuwanderungsideen, herausgekrochen aus dem Arsch der Zeitgenossen“ und vom „dozentiellen“ (Kofferwort aus Dozent und essentiell) Gehabe und der „kalkulierten Ignoranz“ der „Schinkelianer“.

Der Prozess der Transformation der Holzmodelle in ausgespiene Späne bildet eine abstrakte Masse, die sich allmählich auszubreiten und den Raum zu füllen beginnt, bis sie selbst zur Bedrohung wird. Dabei überlagern sich die verschiedenen Wahrnehmungsebenen von „Contraption“, verstärkt durch die abgestumpfte Teilnahmslosigkeit der sie bedienenden „Arbeiter*innen“, in einem automatisierten, seriellen Prozess, untermalt von einer, ebenfalls geschichteten, Klangarchitektur, die durch ihre Monotonie und Lautstärke eine weitere Ebene des Unbehagens erzeugt.

Im Untergeschoss des Pavillon-Oktagons zeigt der von Pope L. 2004 gedrehte Film „Small Cup“ die scheinbar harmlose Zerstörung eines verkleinerten Modells des Washingtoner Kapitols (lat. „Cup-ola“) durch Hühner und eine kleine Ziege, im Dialog mit dem umstrittenen Kuppelbau des benachbarten Humboldtforums. In einem weiteren Rundgang durch die unteren Räume sind, in abgetrennten Kabinen und nur durch quadratische Öffnungen sichtbar, Arbeiten seiner Serie „Skin Set Drawings: the space between the letters“ zu sehen, während andere Zeichnungen hinter einer afrofuturistisch anmutenden Silberfolie verborgen und jeweils von einem Holzpfahl durchbohrt sind. Die silberne Farbe der, an glänzende Raumanzüge erinnernden Folie, setzt sich in, ebenfalls in Silber bemalten, auf dem Boden geschichteten Kartoffeln fort, die im Laufe der Ausstellung zu keimen beginnen und in einen weiteren Transformationsprozess eintreten. So werden bei Pope. L Gewalt und Transformation zu unumkehrbaren Prozessen, die – in Abkehr von dem  „Zauberlehrling“ Goethes, dem Zeitgenossen Schinkels - nicht in Erlösung münden.


POPE. L: "BETWEEN A FIGURE AND A A LETTER" :  09.04. - 31.07.2022

OBERWALLSTRAßE 32
10117 BERLIN

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